Slow Reading im digitalen Zeitalter – Kann eine App Entschleunigung?

Von | Juli 29, 2025

Digitale Medien bestimmen längst unseren Alltag. Nachrichten-Apps, soziale Netzwerke und Video-Plattformen liefern ununterbrochen neue Inhalte, die uns zu schnellem Konsum verleiten. Dieser Dauerstrom prägt nicht nur unser Informationsverhalten, sondern auch die Art, wie wir lesen. Immer weniger Menschen nehmen sich Zeit für tiefes, lineares Lesen, das Konzentration und Verständnis fördert. Genau hier setzt die Slow Reading-Bewegung an, die bewusste Lektüre als Gegenpol zu Ablenkung und Informationsflut propagiert. Doch können ausgerechnet Smartphones, die oft als Symbol der Überreizung gelten, zu Instrumenten der Entschleunigung werden?

Smartphone-Nutzung im DACH-Raum

Die Smartphone-Nutzung in Deutschland, Österreich und der Schweiz zeigt, dass mobile Geräte nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken sind. In Deutschland liegt die durchschnittliche tägliche Smartphone-Nutzungsdauer laut Bitkom 2025 bei 3 Stunden und 32 Minuten, wobei Messaging, Social Media, Streaming und Nachrichten die wichtigsten Aktivitäten darstellen.

In Österreich nutzen laut dem Datareportal 2025 rund 95 % der Bevölkerung ein Smartphone. Genaue Angaben zur täglichen Nutzungsdauer sind hier nicht verfügbar, doch internationale Vergleiche und regionale Studien deuten auf etwa 3 Stunden mobile Nutzung pro Tag hin.

In der Schweiz beträgt die mobile Internetnutzung durchschnittlich 2 Stunden und 44 Minuten pro Tag, wie aktuelle Digital-2025-Auswertungen zeigen. Für Jugendliche nennt die JAMES-Studie 2024 Werte von 3 Stunden werktags und bis zu 4 Stunden am Wochenende.

Der digitale Unterhaltungssektor boomt: Neben Streaming-Apps wie Netflix die Filme und Serien jederzeit zugänglich machen und mobilen Gaming-Plattformen, die heutzutage über Crossplattformfunktionen verfügen verzeichnet auch das iGaming-Segment ein starkes Wachstum. Unterstützt durch 5G und geringe Latenzzeiten trägt es durch seine zahlreichen Angebote, mobil im Casino spielen zu können, in der DACH Region zur Vielfalt der mobilen digitalen Freizeitgestaltung bei. Lese-Apps hingegen sind zwar nur ein kleiner Teil der Gesamtzeit, spielen jedoch eine wichtige Rolle bei Viellesern und Pendlern.

Die Idee des Slow Reading steht im Kontrast zum digitalen Schnellkonsum. Sie entstand als Antwort auf die zunehmende Oberflächlichkeit des Lesens und betont bewusstes, konzentriertes Eintauchen in Texte. Eine Studie von Anne Mangen (Universität Stavanger, 2019) zeigt, dass lineares Lesen – ob digital oder auf Papier – das Textverständnis und die Merkfähigkeit verbessert.

E‑Book-Apps versuchen, diese Vorteile in die digitale Welt zu übertragen. Plattformen wie Kindle, Tolino oder die Bibliotheks-App Onleihe setzen auf Features wie individuell anpassbare Schriftgrößen, ein augenschonendes Nachtmodus-Design, Lese-Timer und detaillierte Lesestatistiken. Diese Funktionen dienen nicht nur dem Komfort, sondern sollen auch eine Art „digitalen Leseraum“ schaffen, der frei von den Ablenkungen ist, die man von Social-Media-Apps kennt.

Digital entschleunigen statt scrollen

Bemerkenswert ist, dass sich dieser Trend nicht nur auf das Lesen beschränkt. Auch andere Freizeit-Apps haben sich entschleunigenden Prinzipien verschrieben. Meditations-Apps bieten geführte Achtsamkeitssessions, die den Nutzer bewusst aus der Hektik herausholen. Fitness-Apps setzen auf kleine Tagesziele und reflektierte Trainingsübersichten, um Fortschritt ohne Leistungsdruck zu ermöglichen. Selbst Sprachlern-Apps strukturieren ihre Inhalte in kurze, leicht verdauliche Lerneinheiten, die eine bewusste, nachhaltige Auseinandersetzung mit neuen Themen fördern. Das Smartphone kann also durchaus ein Werkzeug für Achtsamkeit sein, wenn man die richtigen Anwendungen auswählt.

Im DACH-Raum wächst der Markt für digitale Lesedienste kontinuierlich. Die Onleihe, das größte digitale Bibliotheksnetz im deutschsprachigen Raum, verzeichnete 2023 rund 3,7 Millionen digitale Ausleihen – ein Plus von 54 % gegenüber dem Vorjahr (OverDrive 2024). Der europäische E‑Book-Markt wird laut Mordor Intelligence 2025 ein Volumen von 9,82 Milliarden US-Dollar erreichen, getrieben durch Abomodelle, die unbegrenzten Zugriff auf eine große Auswahl an Titeln bieten.

Die entscheidende Frage bleibt, ob digitale Lese-Apps tatsächlich Entschleunigung ermöglichen oder nur ein weiterer Kanal im unendlichen Informationsstrom sind. Vieles hängt vom Design und der eigenen Nutzung ab. Während Social-Media-Apps durch endloses Scrollen und Push-Benachrichtigungen bewusst auf permanente Aufmerksamkeit setzen, arbeiten Lese-Apps oft mit bewusst minimalistischem Design. Funktionen wie Lesetimer oder Lesepausen, KI-gestützte Empfehlungen und die Möglichkeit, Inhalte offline zu speichern, fördern ein konzentriertes Nutzungserlebnis. Auch andere App-Kategorien wie Meditations- und Fitness-Apps greifen dieses Prinzip auf und verknüpfen digitale Tools mit einem bewussteren Lebensstil.

Zwischen Schnellkonsum und digitaler Ruhe

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Slow Reading in der digitalen Welt des Jahres 2025 durchaus seinen Platz hat. Apps wie Kindle oder Onleihe sind nicht automatisch Gegner der Konzentration, sondern können mit der richtigen Einstellung sogar eine neue Qualität des Lesens ermöglichen. Entscheidend ist, wie der Nutzer diese Tools in seinen Alltag integriert: Wer Social Media bewusst einschränkt und gezielt Zeitfenster für Lese- oder Lern-Apps einplant, kann sein Smartphone von einem Stressfaktor zu einem Entschleunigungswerkzeug machen.

Die Entwicklung hin zu mehr „Digital Wellbeing“-Funktionen, wie sie bereits von iOS und Android bekannt sind, unterstützt diesen Trend zusätzlich. In Deutschland, Österreich und der Schweiz wird das Zusammenspiel von Lese-Apps, Bibliotheksdiensten und anderen Freizeit-Apps immer stärker von einem Balance-Gedanken geprägt, der Qualität vor Quantität stellt.

 

Quellen:

 

https://www.bitkom.org/sites/main/files/2025-03/bitkom-study-digital-marketing-in-germany-2025-en.pdf

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/809553/umfrage/taegliche-dauer-der-mobilen-internetnutzung-nach-laendern-weltweit/

https://datareportal.com/reports/digital-2025-austria

https://datareportal.com/reports/digital-2025-switzerland

https://www.linkedin.com/pulse/switzerland-digital-report-2025-understanding-trends-flavio-schera-vjfge

https://www.swiss-schools.ch/wp-content/uploads/2024/11/JAMES-Studie_2024.pdf

https://company.overdrive.com/2025/01/27/libraries-break-digital-lending-records-in-2024-with-over-739-million-checkouts/

https://www.mordorintelligence.com/industry-reports/europe-e-book-market

https://www.mordorintelligence.com/industry-reports/europe-online-gambling-market

https://www.frontiersin.org/journals/psychology/articles/10.3389/fpsyg.2019.00038/full